Freitag, 3. März 2023

Neues vom BAG zum Urlaub – Teil 1


Das BAG hat sich in der kürzeren Vergangenheit in gleich drei Entscheidungen zum Urlaubsrecht geäußert und neue wegweisende Entscheidungen gefällt. Diese werden wir Ihnen in den nächsten Wochen präsentieren.

 

Die erste Entscheidung vom 20.12.2022 - 9 AZR 266/20  betrifft die Verjährung des Urlaubsanspruches. Wie jeder Anspruch verjährt auch dieser nach drei Jahren. Es war bisher aber unklar und im höchsten Maße streitig, wann diese drei Jahre denn beginnen. Dies ist jedoch entscheidend bei der Verjährung. Das BAG hat nunmehr in Übereinstimmung mit europarechtlichen Regelungen geurteilt, dass diese dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

 

In dem zugrunde liegenden Streit ging es um insgesamt noch 101 abzugeltende Urlaubstage einer Steuerfachangestellten, die vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 bei der Beklagten tätig war. Diese hat lediglich 14 Urlaubstage aus dem laufenden Jahr abgegolten. Die Klägerin begehrte jedoch alle noch nicht genommenen Urlaubstage.

 

Das LAG Düsseldorf verurteilte die Beklagte zur Abgeltung von 76 Urlaubstagen, die einen Wert von 17.000 Euro hatten. Hiergegen erhob sie die erfolglose Revision mit dem Argument, die von der Klägerin geltend gemachten Urlaubstage seien bereits verjährt.

 

Das BAG entschied nun, dass zwar die Verjährung auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung findet, die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne bei einer richtlinienkonformen Auslegung von § 199 I BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe. Dies war hier nicht geschehen, sodass die Verjährung noch nicht einmal begonnen hatte.

 

Losgelöst hiervon ist die Frag zu klären, die in den nächsten Blogbeiträgen thematisiert werden: Wie verhält es sich mit dem Urlaubsabgeltungsanspruch. Wann verjährt dieser?

Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie den Arbeitnehmern im laufenden Jahr mitteilen, wie viele Urlaubstage sie noch haben und wenn sie die Arbeitnehmer auffordern, die Urlaubstage zu nehmen. Denn sonst können längst abgeschriebene Urlaubstage wieder Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung werden.  

 



 

Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Donnerstag, 3. November 2022

Bewerbung auf einen Job über ein Kleinanzeigenportal – Gilt das AGG?


Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) entschieden (Urt. v. 21.06.2022, Az. 2 Sa 21/22) beschäftigt. Die Antwort ist klar: Ja! Denn wer sich (im vorliegenden Fall) über Ebay-Kleinanzeigen auf eine Stellenanzeige meldet, gilt als Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Im Fall von Diskriminierungen müssen Arbeitgeber deshalb Entschädigungen zahlen.         

So hat sich im vorliegenden Fall ein Mann auf eine Stellenzeige bei dem Kleinanzeigendienst Ebay Kleinanzeigen, durch die dort mögliche Chat-Funktion beworben. In der Stellenbeschreibung hieß es: "Sekretärin gesucht! Beschreibung: Wir suchen eine Sekretärin ab sofort. Vollzeit/Teilzeit Es wäre super, wenn sie Erfahrung mitbringen. …".

Das Unternehmen wollte den männlichen Bewerber aber nicht und antworteten, dass sie "eine Dame als Sekretärin" suchen würden. Der Mann hatte wegen dieser aus seiner Sicht diskriminierenden Ablehnung drei Bruttomonatsgehälter als Entschädigung gefordert.

Das LAG entschied nun, dass ihm die Entschädigung zusteht. Voraussetzung für einen Entschädigung sei, dass der Mann als Bewerber im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gelte, was hier nach Auffassung des Gerichts der Fall sei. Denn es führt hierzu weiter aus. dass wer eine Stellenanzeige in Ebay-Kleinanzeigen veröffentlicht, damit rechnen muss, dass sich die Bewerber über die Ebay-Kleinanzeigen-Chatfunktion bewerben und nicht auf klassische Weise schriftlich unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen. Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers werde gesetzlich nicht gefordert. Die Person des Bewerbers müsse lediglich identifizierbar sein, so das LAG.

Das Unternehmen hatte zwar eingewandt, die Bewerbung sei rechtsmissbräuchlich, allerdings  sind an diese Annahme laut Gericht hohe Anforderungen gestellt. Besondere Umstände, die auf einen  Rechtsmissbrauch (AGG-Hopper: Hierzu im nächsten Beitrag mehr) schließen könnten, konnte das Unternehmen nicht darstellen. 

Angesichts des Anzeigentextes und der Antwort der Arbeitgeberin im Chat sei klar, dass der Bewerber aufgrund seines Geschlechts benachteiligt worden sei. Deshalb stehe ihm eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu.

Das AGG schützt die Bewerber auf einen Arbeitsplatz vor Diskriminierung bereits vor dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses. Dies ist auch richtig. Nichts desto trotz gibt es viele Bewerber, die gezielt nach rechtlich zu beanstandenden Ausschreibungen suchen oder gar nicht ernsthaft gewillt sind, den Job anzutreten, auf den sie sich beworben haben. Die Darlegungslast hierfür ist aber enorm hoch.


Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht 

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Donnerstag, 1. September 2022

Pressemitteilung - Probleme der Darlegungs- und Beweislast in Überstundenprozessen im Lichte der Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG

 


Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kommende Woche am 07.09.2022 über einen Fall zu entscheiden, bei dem es im Kern um die Vergütung von Überstunden geht. Wir vertreten hierbei den Arbeitgeber bei der Abwehr des Anspruches.

Bei Überstundenvergütungsprozessen ist die Frage der Darlegungs- und Beweislast problematisch, da im Hinblick auf die Arbeitszeitrichtlinie nunmehr 2003/88/EG und damit einhergehender Rechtsprechung des EuGH Stimmen laut werden, die entgegen der Systematik und des Zwecks eine Beweiserleichterung für Arbeitnehmer fordern.

So wird vertreten, dass aus unionsrechtlichen Erwägungen mit Blick auf die Entscheidung des EuGH vom 14.05.2019 – C-55/18 [CCOO] Erleichterungen für den Arbeitnehmer in einem Überstundenprozess herrühren würden im Sinne einer Beweislastumkehr.

Die bisherigen Landesarbeitsgerichte und auch sogar bereits das BAG (Urteil vom 04.05.2022, Az.: 5 AZR 359/21) sehen dies anders und entschieden bisher, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken sei. Diese sei zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergangen. Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH beschränkten sich diese Bestimmungen jedoch nur darauf, Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sie fänden indes grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit habe deshalb keine Auswirkung auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess.

Exakt dieser Fall steht nunmehr erneut zur Entscheidung beim 5. Senat des BAG an, da der hiesige Kläger sich im bisherigem Verfahrensverlauf auch darauf berufen hat, dass sich auf Grund unionsrechtlichen Erwägungen Darlegungserleichterungen bei einem Überstundenabgeltungsprozesses ergeben.

Dem ging die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgericht voraus (Az.: 10 Sa 104/21 ) voraus, dass aus unionsrechtlichen Erwägungen mit Blick auf die Entscheidung des EuGH vom 14.05.2019 – C-55/18 [CCOO] keine Erleichterungen für den Kläger in einem Überstundenprozess herrühren im Sinne einer Beweislastumkehr und dass eine derartige Auslegung des Unionsrecht zu weit ginge und letztlich es dem Arbeitnehmer überließe, sein Gehalt festzulegen, indem er Mehrarbeit aufdrängt und anschließend in einem Überstundenprozess alleinig vortragen müsste, dass auf Grund fehlender Zeiterfassungssysteme man ihm nunmehr die Stunden auszahlen müsste, wenn nicht der Arbeitgeber gegenteiliges beweisen könnte.

Anzumerken ist, dass die Entscheidung des BAG vom 04.05.2022 bei der Revisionszulassung und der Revisionsbegründung des hiesigen Klägers noch nicht veröffentlicht war, wir aber davon ausgehen, dass der 5. Senat am 07.09.2022 erneut so entscheiden wird.

 

Jasper Weitzel
Rechtsanwalt

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Montag, 18. Juli 2022

LAG Köln zur Beschäftigung im Homeoffice

 


Das LAG Köln hat sich in seinem Urteil vom 12.01.2022 (Az.: 3 Sa 540/21) mit dem Thema „Anspruch auf Homeoffice“ beschäftigt. Die Parteien streiten um eine leidensgerechte Beschäftigung der Klägerin, die bei der Beklagten als medizinische Fachangestellte beschäftigt und im Arbeitsvertrag örtliche einer Zweigpraxis zugewiesen war. Die Klägerin hat einen Grad der Behinderung von 50 und fiel krankheitsbedingt längere Zeit aus, sodass auch ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurde. Im Nachgang zu dem BEM-Gespräch begehrte die Kläger neben der Beschäftigung im Homeoffice auch die Zuweisung anderer Tätigkeiten, die sie aus dem Homeoffice erledigen könnte. Beides lehnte die Beklagte aber ab.

 

Darauf war die Klage beim Arbeitsgericht Siegburg gerichtet. Die Klage wurde jedoch erstinstanzlich abgewiesen, da die Beklagte nicht zur Schaffung eines zusätzlichen Arbeitsplatzes verpflichtet sei. Zudem sei auch im BEM-Gespräch keine verbindliche Zusage erteilt worden.

 

Hiergegen richtete sich die Berufung, die aber ebenfalls scheiterte, denn auch nach Ansicht des LAG Köln fehle es der Klägerin für den gelten gemachten Anspruch auf die begehrte Tätigkeit im Homeoffice an der erforderlichen Anspruchsgrundlage. Denn so sei bereits nicht in dem BEM-Gespräch eine Änderungsvereinbarung dahingehend geschlossen worden, dass der Klägerin Homeoffice gewährt würde.

 

Auch aus § 241 Absatz 2 BGB iVm dem Direktionsrecht des Arbeitgebers gem. § 106 Satz 1 GewO folge kein Anspruch. Danach ist zwar jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. So ist gerade in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr in der Lage ist, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts näher bestimmte Leistung zu erbringen, der Arbeitgeber auf Grund seiner Rücksichtnahmepflicht verpflichtet, dass er erneut von seinem Direktionsrecht Gebrauch macht, in diesem Fall also unter Umständen Homeoffice gewährt.

 

Das LAG Köln entschied aber anders. Denn auch hiernach sei die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin die begehrte Beschäftigung zuzuweisen. Weder der begehrte Arbeitsinhalt noch Arbeitsort stimmte mit den Regelungen im Arbeitsvertrag überein. Eine Tätigkeit im Homeoffice, bei der die Klägerin die Telefonzentrale betreut, Terminvereinbarungen und Terminkoordination vornimmt, Praxiskorrespondenz erledigt, Abrechnungen erstellt und Verwaltungstätigkeiten sowie allgemeine organisatorische Tätigkeiten ausübt, erfüllt nicht die das Berufsbild als medizinische Fachangestellte prägenden Merkmale. Auch die Zuweisung des privaten Wohnortes als Arbeitsort ist arbeitsvertraglich nicht vereinbart. Ist im Arbeitsvertrag der Arbeitsort fest geregelt, ist kein Raum für die Ausübung des Direktionsrechts in örtlicher Hinsicht (vgl. BAG, Urt. v. 28.8.2013 - 10 AZR 569/12, NZA-RR 2014, 181). So ist es hier.

 

Ein Anspruch auf die begehrte Tätigkeit folgt auch nicht aus § 164 Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX, wonach ein schwerbehinderter Mensch gegenüber seinem Arbeitgeber Anspruch auf Beschäftigung hat, bei der er seiner Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Hieraus kann sich auch ein Anspruch auf anderweitige, auch vertragsfremde, Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann. Ein Anspruch besteht danach aber nicht, soweit die Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre. Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten. Die Klägerin kann zwar aufgrund ihrer Erkrankung die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben. Ein Anspruch auf die Zuweisung der beantragten vertragsfremden Beschäftigung scheitert aber daran, dass es bei der Beklagten einen solchen Arbeitsplatz bislang nicht gibt. Die Beklagte müsste einen solchen Arbeitsplatz unter Aufwendung finanzieller Mittel erst schaffen.

 

Die Entscheidung ist eine Einzelfallentscheidung, die auch anders entschieden werden kann. Vor allem wenn individuelle Absprachen mit dem Arbeitgeber stattgefunden haben, die eine Beschäftigung im Homeoffice regeln. Auch die genannten gesetzlichen Ansprüche könnten in einem anders gelagerten Fall durchaus durchgreifen.

 


Jasper Weitzel

Rechtsanwalt


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Dienstag, 5. Juli 2022

Welchen Inhalt müssen Arbeitsverträge haben? Aktuelle Änderungen des Nachweisgesetzes


Die Pflichten für Arbeitgeber betreffend des Inhalts von Arbeitsverträgen ändern sich ab dem 01.08.2022 auf Grund einer neuen EU-Arbeitsbedingungsrichtlinie. Danach sind Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsvertrag detailliert und verständlich zu formulieren. Diese Richtlinie wurde nunmehr durch Änderungen im Nachweisgesetz umgesetzt, die ab dem 01. August 2022 gelten. 

Kurz gesagt kommt auf Arbeitgeber unter Umständen ein erheblicher Mehraufwand zu, da sie Mitarbeiter künftig bei Einstellungen weit mehr Informationen erteilen und Dokumentationen vornehmen müssen als bisher. Viele Arbeitsverträge enthalten aber bereits eine Vielzahl an Informationen, sodass es nicht bei allen Vertragsmustern, die Arbeitgeber für Neueinstellungen verwenden, zu größeren Änderungen kommen muss.

Doch im Einzelnen:

Anwendungsbereich des Nachweisgesetzes:

Der der Anwendungsbereich des Nachweisgesetzes wird nun erweitert, sodass anders als bislang auch Aushilfen, die für maximal einen Monat eingestellt werden, eingebunden werden. Es sind nunmehr alle Arbeitnehmer erfasst.

Probezeit und Befristung

Neben den sonst bislang im Nachweisgesetz vorgesehenen wesentlichen Arbeitsbedingungen beispielsweise entweder das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses muss nunmehr auch die Dauer der Probezeit festgehalten werden, sofern eine solche vereinbart wurde.

Arbeitsentgelt

Wesentlich ist auch Änderung betreffend des Arbeitsentgelts. So müssen – jeweils getrennt – die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts inklusive der Überstundenvergütung, Zuschläge, Zulagen und Prämien sowie etwaiger Sonderzahlungen angegeben werden. Dies umfasst auch Art und Fälligkeit der Auszahlung

Ruhepausen und Ruhezeiten

Hinzu kommen Informationspflichten betreffend die Ruhepausen und Ruhezeiten sowie ein etwaiges Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen.

Informationen über das Verfahren nach Ausspruch einer Kündigung

Die wesentlichste Neuerung des Nachweisgesetzes ist die Pflicht des Arbeitgebers, im Arbeitsvertrag neben den Angaben zur Kündigung und Kündigungsfrist nunmehr auch Angaben zu machen betreffend das für Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Ausspruch einer Kündigung einzuhaltende Verfahren. So muss mindestens die Information über das Schriftformerfordernis der Kündigung sowie die für die Parteien geltenden gesetzlichen, tarif- oder einzelvertraglichen Kündigungsfristen umfasst sein. Im Falle einer Probezeit ist zudem die Länge der verkürzten Kündigungsfrist festzuhalten. Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber darauf hinzuweisen werden, dass er im Falle einer Kündigung die dreiwöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG einzuhalten hat. Aber Achtung: Ein falscher oder fehlender Hinweis zur Klagefrist führt nicht zur Unwirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung! Die Drei-Wochenfrist gilt daher nach wie vor uneingeschränkt für den Arbeitnehmer.

Weitere Änderungen

Es müssen weitere Informationen enthalten sein zum Umfang des Anspruchs auf Teilnahme an von dem Arbeitgeber bereitgestellten Fortbildungen, die Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden und der Identität des Versorgungsträgers im Rahmen einer Zusage der betrieblichen Altersversorgung.

Auslandsaufenthalt von mehr als vier Wochen:

Wenn ein Arbeitnehmer länger als vier aufeinanderfolgenden Wochen im Ausland tätig ist, werden auch hier die Unterrichtungspflichten in diesem Zusammenhang erweitert und detailliert:

So muss der Arbeitgeber muss zusätzlich das Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, die geplante Dauer der Arbeit, sofern vereinbart auch mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten, die Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr schriftlich festhalten.

Welche Fristen gelten?

Nach der alten Gesetzeslage hatte der Arbeitgeber zur Abfassung der wesentlichen Arbeitsbedingungen Zeit von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit. Diese und auch weitere Fristen wurde drastisch verkürzt:

So muss bereits spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung die Angaben zu Name und Anschrift der Vertragsparteien, Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts sowie vereinbarter Arbeitszeit verschriftlicht sein. Nach spätestens sieben Tage nach Arbeitsbeginn müssen unter anderem der Beginn des Arbeitsverhältnisses, die Dauer der Probezeit und die der vereinbarten Befristung sowie Arbeitsort, Leistungsbeschreibung und die Überstundenanordnung festgehalten sein. Für die übrigen oben beschriebenen und im Nachweisgesetz geregelten Bedingungen bleibt es bei der Monatsfrist. Arbeitgeber ist zu raten, direkt alle Informationen in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.

Änderungen der wesentlichen Arbeitsbedingungen

Ändern sich im bestehenden Arbeitsverhältnis die wesentlichen Vertragsbedingungen, reicht es künftig nicht mehr, diese spätestens einen Monat nach Änderung mitzuteilen. Künftig müssen die Änderungen dem Arbeitnehmer an dem Tag, an dem sie wirksam werden, schriftlich mitgeteilt werden.

Verstoß stellt Ordnungswidrigkeit dar

Ein Verstoß des Arbeitsgebers gegen das Nachweisgesetz stellt künftig eine Ordnungswidrigkeit dar. Pro Verstoß droht ein Bußgeld von bis zu 2.000,00 Euro wenn der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht entweder gar nicht, nicht richtig, in der falschen Form, unvollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt.

Verweis auf Kollektivvereinbarungen

Der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen kann auch weiterhin durch einen Verweis auf die im Arbeitsverhältnis anwendbaren Kollektivvereinbarungen wie Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen ersetzt werden. Voraussetzung hierfür ist indes, dass die jeweilige Kollektivvereinbarung die entsprechende Regelung zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen enthält.

Gelten die Änderungen auch für Altverträge?

Altverträge, die vor dem 01.08.2022 geschlossen wurden müssen nicht angepasst werden. Es besteht jedoch die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer auf sein Verlangen innerhalb von sieben Tagen die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich auszuhändigen.

Wir helfen sowohl Arbeitgeber weiter bei der Erstellung gesetzeskonformer Arbeitsverträgen, unterstützen aber auch Arbeitnehmer bei der Durchsetzung ihrer Recht. 


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht 

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Montag, 27. Juni 2022

Auszubildende aufgepasst: Fristlose Kündigung wegen vorgetäuschter Krankheit

Das Arbeitsgericht Siegburg (Az.: 5 Ca 1849/21) musste über den Fall eines fristlos gekündigten Auszubildenden entscheiden, der sich trotz bester Gesundheit krankschreiben lies, um eine Prüfung zu schwänzen. Im Ergebnis urteilte das Arbeitsgericht, dass dadurch eine schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegt und die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber dann gerechtfertigt sein kann.

Der Sachverhalt ist kurz erklärt: Der Kläger machte bei der Beklagten eine Ausbildung zum Sport- und Gesundheitstrainer. Für den Zeitraum für den 05. bis 07.10.2021 wurde dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Am 06.10.2021 erschien der Kläger im Fitnessstudio und führte, nachdem er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgegeben hatte, ein intensives Krafttraining durch. Hierauf wurde er fristlos gekündigt.

Das Gericht entschied gegen den Kläger. Nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann nach Ablauf der Probezeit beiderseits aus wichtigem Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund setzt voraus, dass das Ausbildungsziel erheblich gefährdet und die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar ist, wobei das ggf. jugendliche Alter des Auszubildenden und der Ausbildungszweck des Vertragsverhältnisses zu berücksichtigen sind. Pflichtverstöße sind daher nur unter erschwerten Bedingungen als unzumutbar für den Ausbildenden zu bewerten.

Hiernach sah das Gericht die Voraussetzungen im vorliegenden Fall für die fristlose Kündigung als gegeben an. Denn nach der Überzeugung des Gerichts war der Kläger niemals krank gewesen und hat sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ausstellen lassen, um den für den 05. und 06.10.2021 angesetzten Nachholprüfungen zu entgehen. Dieses Vorgehen des Klägers gefährdet das Ausbildungsziel erheblich und macht dem Beklagten die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar. Zudem stellt das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass durch sie das Vertrauen des Beklagten in seinen Auszubildenden gänzlich zerstört wird. Einer Abmahnung bedarf es in diesem Fall nicht, da eine Hinnahme des Verhaltens durch den Beklagten offensichtlich ausgeschlossen ist.

Arbeitnehmer und auch Auszubildende sollten es unterlassen, sich krankschreiben zu lassen, obwohl keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Dies kann zu einer wirksamen fristlosen Kündigung führen.

 

Peter Groll
Fachanwalt für Arbeitsrecht


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Mittwoch, 1. Juni 2022

Fristlose Kündigung wegen gefälschtem Corona- Genesenennachweis

Wir hatten in dem letzten Beitrag den Fall besprochen, in dem eine fristlose Kündigung für Wirksam erklärt wurde, nachdem ein Arbeitnehmer seinen Impfausweis gefälscht hatte.

Ähnlich ist der Fall gelagert, den das Arbeitsgericht Berlin in seinem Urteil vom 26.04.2022 (Az. 58 Ca 12302/21) zu entscheiden hatte. Dem Fall lag zu Grunde, dass ein Arbeitnehmer (Justizbeschäftigter) des Nachweis über den Status als Genesener gefälscht hatte. Er wurde hierauf fristlos gekündigt. Besonders in diesem Fall ist, dass der Genesenstatus vorliegend eine der Voraussetzungen für den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen gewesen ist. Wer in solch einer Konstellation eine Fälschung erstellt, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen, so entschied das Arbeitsgericht.

Ein Justizbeschäftigter hatte einen gefälschten Genesenenstatus vorgelegt und so Zugang zum Gerichtsgebäude bekommen, wobei nach den einschlägigen Normen des seinerzeit gültigen Infektionsschutzgesetzes entweder ein Impfnachweis, ein Genesenenstatus oder ein tagesaktueller Schnelltest erforderlich gewesen ist.

Begründet wurde die Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung damit, dass es bei den Nachweispflichten um den Gesundheitsschutz für alle Menschen im Gericht ginge und diesem eine erhebliche Bedeutung zukäme. Deshalb sei die Verwendung eines gefälschten Genesenennachweises zur Umgehung dieser Nachweispflichten eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Die Pflichtverletzung sei zudem so gravierend. Es sei dann auch keine vorherige Abmahnung mehr erforderlich. Diese Folge sei dem Mann als Justizbeschäftigten ohne Weiteres erkennbar gewesen. 


Mike Schaidreiter
Rechtsanwalt 

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