Montag, 7. November 2016

Arbeitgeber darf Browserverlauf des Arbeitnehmers ohne vorherige Zustimmung auswerten

Das Thema Internetnutzung am Arbeitsplatz ist nach wie vor relevant. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Az.: 5 Sa 657/15) hat nun entschieden, dass ein Arbeitgeber wegen der Privatnutzung des Internets am Arbeitsplatz eine außerordentliche Kündigung aussprechen darf, auch wenn seine Kenntnisse aus der Auswertung des Browserverlaufes des Arbeitnehmers resultieren, den der Arbeitgeber zuvor ohne die Zustimmung des Mitarbeiters eingesehen hat.




Das Unternehmen hatte einen Mitarbeiter fristlos gekündigt nachdem man Einsicht in seinen Browserverlauf genommen hatte und dabei feststellte, dass er in einem Zeit-raum von 30 Arbeitstagen fünf Tage (insgesamt 39,86 Arbeitsstunden) privat im Internet gesurft war. Das Gericht wertete diese unerlaubte Nutzung des dienstlichen Internetzugangs als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung, obwohl der Arbeitgeber die private Nutzung des Internets sowohl in Aufnahmefällen als auch während der Arbeitspausen grundsätzlich erlaubt hatte.

Die Richter störten sich hier auch nicht am Datenschutz: bei der Auswertung des Browserverlaufs ist ersichtlich, welche Internetseite der Nutzer zu welchem Zeitpunkt wie lange aufgerufen hatte. Dabei handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzge-setzes, die grundsätzlich unter einem besonderen Schutz im Sinne dieses Gesetzes stehen.

Trotzdem urteilte das Gericht, dass auch ohne wirksame Einwilligung des Arbeitnehmers die Speicherung und Auswertung der Verlaufsdaten in der Chronik eines Internet-browsers zur Missbrauchskontrolle erlaubt sei.

Ein Beweisverwertungsverbot sei jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn dem Arbeitgeber kein milderes Mittel zur Verfügung stehe, um einem Verdacht nachzugehen und zusätzlich konkrete Hinweise auf eine erhebliche private Missbrauchsnutzung bestehen.

Auch wenn die Anforderungen für die Rechtmäßigkeit der Auswertung nicht besonders präzise formuliert sind, stellt das Landesarbeitsgericht klar, dass dem Arbeitgeber kein anderes milderes Mittel zur Verfügung stehen darf, um den konkreten Nachweis des Missbrauches führen zu können. Erst wenn dies der Fall ist, darf ein Arbeitgeber mit dem Zweck der Feststellung eines möglichen Missbrauchs des dienstlichen Internetzugangs durch exzessive oder regel-widrige private Nutzung eine Auswertung vornehmen.

Das Landesarbeitsgericht hielt auch eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung für verzichtbar, nicht zuletzt, weil der Kläger seine Arbeitspflichten in einem so erheblichen Umfang verletzt hatte, dass eine vorherige Abmahnung als Warnung überflüssig war. Das Gericht argumen-tierte, dass es jedem Mitarbeiter bewusst sein müsse, dass bei einer derartig ausschweifenden privaten Nutzung des Internetzugangs eine Hinnahme seitens des Arbeitgebers nicht mehr angenommen werden könne.

Das Urteil zeigt, dass es selbst bei grundsätzlicher möglicher privater Internetnutzung Grenzen gibt, die ein Arbeitgeber zum Anlass einer Trennung nehmen kann.

Das Internet sollte daher im Büro nur mit Bedacht privat genutzt werden, im Zweifel besser gar nicht. Sonst führt der nächste Gang zum Anwalt und dann zum Arbeitsgericht.

Vanessa Tippmann-Umathum
Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Heimliches Mitschneiden eines Personalgesprächs führt zur Kündigung

Heimliche Gesprächsaufnahmen können den Job kosten. Diese Lektion musste auch eine Mitarbeiterin der Bundesagentur für Arbeit lernen, die heimlich ein Personalgespräch mit dem Smartphone aufzeichnete.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 03.02.2016 - 7 Sa 220/15 -diesen Fall entschieden. Die gegenteilige Variante ist allgemein bekannter: häufig sind es Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter in unzulässiger Weise abhören oder überwachen.




Der Sachverhalt: Die Bundesagentur für Arbeit kündigt einer Mitarbeiterin wegen häufiger Krankheitsfehltage und nach einer abgebrochenen Wiedereingliederungsmaßnahme. Hiergegen wehrt sich die Mitarbeiterin, erhebt Kündigungsschutzklage und gewinnt den Fall in erster Instanz. Was danach passiert ist mehr als ungeschickt. Denn im Rahmen des erstinstanzlichen Rechtsstreits erklärt die anwaltlich vertretene Mitarbeiterin schriftlich, sie habe ein Personalgespräch, das sie mit ihrem Vorgesetzten geführt hat, auf dem Smartphone aufgezeichnet. Was macht der Arbeitgeber? Er kündigt ihr erneut, dieses Mal wegen der heimlichen Aufzeichnung des Personalgesprächs mit ihrem Vorgesetzten und deren unbefugter Überlassung an Dritte und erhält vom Gericht Recht. Parallel zum arbeitsgerichtlichen Fall erstattet der Arbeitgeber sowohl gegen die Mitarbeiterin als auch deren Anwalt eine Strafanzeige.

Dass die Kündigung wegen der heimlichen Aufnahme wirksam ist, ist nicht verwunderlich. Denn die Vertraulichkeit des Wortes ist ein hohes Gut, weshalb auch deren Verletzung eine Straftat ist, die mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann.

Das Gericht sagte aber gleichzeitig, dass in diesem Fall nicht das strafrechtliche Verhalten maßgeblich ist, sondern vielmehr die mit dem Verhalten verbundene Verletzung der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers. Diese wird verletzt, wenn der Arbeitnehmer durch sein Vorgehen in den Schutzbereich der Grundrechte seines Vorgesetzten oder anderer Mitarbeiter eingreift, ohne dass dies durch überwiegende Interessen des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist.

Das heimliche Mitschneiden des Gesprächs durch die Mitarbeiterin ist verboten, weil aus dem grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht das Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes folgt. Danach darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf.

Übersetzt heißt das, dass der Vorgesetzte Personalgespräche führen können muss, ohne befürchten zu müssen, dass das Gespräch heimlich aufgenommen oder sogar gegen seinen Willen verwertet wird.

In der heutigen Zeit hat jedermann ein Smartphone, das problemlos verborgen in Hosen- oder Jackentaschen mitgeführt werden kann. Damit wird die Aufnahme eines Gesprächs ohne größeren Aufwand möglich.

Allerdings zeigt dieses Urteil den Einsatzmöglichkeiten eines Smartphones ganz klar Grenzen auf. Das Urteil ist auch eine Ermahnung an Arbeitnehmer, ihren Job nicht mit leichtsinnigen Taten aufs Spiel zu setzen.


Martin Müller
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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